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Sieben Prozent aller Er-wachsenen in den westlichen Industrienationen sind mittlerweile kaufsuchtgefährdet. Diese Zahl veröffentlichte in Deutschland unlängst die Techniker Krankenkasse.
Zu dem Verhalten der „Shopaholics“ gehört auch, dass sie von mehreren Suchtattacken am Tag heimgesucht werden. Dann gehen sie los und kaufen sogar mehrfach den gleichen Artikel oder nutzlose, unsinnige Dinge.
Bei kaufsüchtigen Frauen stehen Kleidung, Schuhe, Kosmetik, Lebensmittel und Haushaltsgeräte ganz oben auf der Muss-Liste. Männer kaufen hingegen eher Technikartikel, Sportgeräte, Autozubehör und Antiquitäten. Generell sind von Kaufsucht Männer und Frauen betroffen; der Anteil der weiblichen Betroffenen allerdings liegt höher. Und: Jüngere Menschen verfallen schneller in dieses Suchtverhalten als ältere.
Wie bei jedem anderen Suchtverhalten hält auch der Kick bei der Kaufsucht nicht lange an. Bereits nach kurzer Zeit müssen Betroffene wieder etwas Neues kaufen. Oft wird die Kaufsucht begleitet von Depressionen, Alkoholmissbrauch, Angst- und Essstörungen.
Eine eindeutige Ursache oder eine typische Kaufsucht-Persönlichkeit gibt es hingegen nicht. Experten haben in Untersuchungen allerdings festgestellt, dass Kaufsüchtige ein wesentlich schwächeres Selbstwertgefühl haben. Seelische Verletzungen, emotionale Vernachlässigung, Ablehnung und Gleichgültigkeit seitens der Eltern können hierbei ebenso eine Rolle spielen wie eine Erziehung, die materielle Güter zur Belohnung und Bestrafung einsetzt. Shoppen wirkt für Kaufsüchtige wie eine seelische Streicheleinheit.
Dazu kommt nach neuesten Erkenntnissen der Forschung aber wohl auch noch etwas Anderes: Shopping-Süchtige suchen offenbar auch Kontakt und kompensieren Einsamkeit durch Gespräche mit „ihren“ Verkäufern. Angesichts zunehmender Anonymität und dem Anstieg der Scheidungsrate ist diese These wohl nicht ganz von der Hand zu weisen.
Eine neue – und offenbar erfolgreiche – Methode gegen die Kaufsucht wurde jetzt am Uniklinikum von Erlangen ge-testet:
Nahezu jedem zweiten Patienten konnte mit dieser speziellen Therapie geholfen werden, das exzessive Kaufverhalten in den Griff zu bekommen. „Mit unserer Studie konnten wir in Deutschland erstmals eine wirksame Therapie gegen Kaufsucht wissenschaftlich nachweisen“, sagte Studienleiterin Dr. Astrid Müller aus der Psychosomatischen und Psychotherapeutischen Abteilung am Universitätsklinikum Erlangen.
Das an der University of North Dakota (USA) entwickelte und in Erlangen erstmals für Deutschland umfassend getestete ambulante Gruppen-Therapiemodell wurde an insgesamt 51 Frauen und 9 Männern im Alter zwischen 20 und 61 Jahren angewendet.
Um den Erfolg der Therapie nachzuweisen, nahmen die Patienten an Fragebogenuntersuchungen und psychologischen Interviews teil. Bereits im Herbst dieses Jahres sollen erste Therapiegruppen in Erlangen gegründet werden – ein Vorreitermodell für ganz Europa?
Ob auch Sie gefährdet für dieses Suchtverhalten sind, kann Ihnen ein kleiner Selbsttest verraten, der an der Universität von Stuttgart entwickelt wurde:
Dazu beantworten Sie alle Fragen nach ehrlicher Selbstanalyse mit „ja“ oder „nein“.
- Wenn ich Geld habe, muss ich es ausgeben.
- Wenn ich durch die Innenstadt oder ein Kaufhaus gehe, fühle ich ein starkes Verlangen, etwas zu kaufen.
- Oft verspüre ich einen unerklärlichen Drang, einen ganz plötzlichen, dringenden Wunsch, loszugehen und irgendetwas zu kaufen.
- Oft habe ich das Gefühl, dass ich etwas Bestimmtes unbedingt haben muss.
- Nach dem Kauf frage ich mich oft, ob es wirklich so wichtig war.
- Ich kaufe oft etwas, nur weil es billig ist.
- Ich habe schon oft etwas gekauft, das ich dann nicht benutzt habe.
- Einkaufen ist ein Weg, dem unerfreulichen Alltag zu entkommen und mich zu entspannen.
- Ich habe mir schon oft etwas gekauft, was ich mir eigentlich gar nicht leisten konnte.
- Oft traue ich mich nicht, gekaufte Sachen anderen zu zeigen, weil man mich sonst für unvernünftig halten könnte.
- Manchmal habe ich ein schlechtes Gewissen, wenn ich mir etwas gekauft habe.
- Ich bin verschwenderisch.
- Oft kaufe ich etwas, weil ich einfach Lust zum Kaufen habe.
Von Andrea Rink