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Positive Seiten
Allerdings sollte man meinen, die Schicht der Zivilisation sei mittlerweile dick genug, um solch archaische Überreste der Evolution zu übderdecken – weit gefehlt. Denn: Die dunklen Gefühle in uns allen haben durchaus auch eine positive Seite, besitzen eine gewisse Ventilfunktion. Ein Beispiel: Der Hass auf einen geliebten Menschen, der uns verlässt, kann eine wichtige Vorstufe zur Trauer sein. Solange man es bei Mordgedanken und dem Spinnen fieser Intrigen in der Fantasie belässt, natürlich. In dem Moment allerdings, wo wir die finsteren Gedanken in die Tat umsetzen, haben Hass und Rache keinerlei positive Funktion. Für das Opfer natürlich nicht – für den Täter allerdings auch nicht.
Es gibt auch heute noch Kulturen, in denen Rache, genauer gesagt, Blutrache, an der Tagesordnung ist – sogar als Bestandteil der Familien-ehre. In Gesprächen mit Tätern allerdings wird immer wieder deutlich, dass diese sich nach der Tat nicht befreit, stolz, gar glücklich fühlen, ganz im Gegenteil sind sie erfüllt von Scham und einem irrationalen Zorn, der auch nach der Rache für eine Schmähung nicht endet.
Zerstörerisch
Das ist übrigens ein wichtiger Grund, warum man den schlechten Gefühlen in uns nicht nachgeben sollte – auch nicht im Kleinen. Sie haben nämlich keine befreiende Wirkung, ganz im Gegenteil machen sie unfrei, unglücklich und belasten natürlich auch das Gewissen. Auf der anderen Seite steckt in vielen Emotionen aber auch durchaus eine Chance für sich selbst. Genauer gesagt dafür, sich selbst und seine Reaktionen besser einschätzen und somit kontrollieren zu können. Nehmen wir als Beispiel mal den guten alten Tobsuchts-anfall, den wahrscheinlich die meisten Menschen in ihrem Leben schon ein paar Mal hinter sich gebracht haben. Da hilft es erst mal, herauszufinden, warum man eigentlich zum Brüllen, Kreischen und Toben neigt. Meistens nämlich, weil man das Gefühl hat, den Gesprächsartner anders überhaupt nicht zu erreichen. Nur: Jedem dürfte klar sein, dass es mit Schreien schon mal gar nicht geht. Erkenntnis Eins. Stellt sich dann die Frage, wie man das Toben (was natürlich auch ein Stück Mentalitätssache ist) in den Griff bekommen kann.
Eigentlich nur, indem man den eigenen Zustand reflektiert. Das funktioniert am besten mit Aufmerksamkeit. Immer, wenn Sie merken, dass Sie wütend werden, beobachten Sie sich selbst und den anderen - möglichst neutral. Dabei hilft eine Mini-Meditation, erst einmal zur Ruhe zu kommen: Versuchen Sie, sich in die Person hineinzuversetzen, auf die Sie wütend sind. Wie geht es ihr in diesem Moment? Wie würde sie sich fühlen, wenn Sie sich anders - freundlicher - verhalten hätten? Welche Wendung hätte dann der Streit genommen? Übrigens hilft so eine kleine Gedankenreise auch weiter, wenn man jemanden hasst oder wenn einen jemand nervt.
Wut-Strategien
Eigentlich hilft bei rasen-dem Zorn also am besten – gar nichts tun und einfach warten, bis die Welle über einen hinweggeschnappt ist. Das klingt unglaublich schwer und die meisten Menschen halten es auch schlicht für unmöglich, dass Zorn so einfach verrauchen kann. Aber: Es funktioniert tatächlich - und je öfter man die Strategie des Nichtstuns anwendet, desto einfacher wird sie auch. Das nennt man schlicht Konditionierung. Ein weiteres, häufig auftauchendes, dunkles Gefühl ist der Neid – und auch er sagt eine ganz Menge über uns selbst aus.
Selbsthass
Neidgefühle unterliegen einem ganz einfachen Mechanismus: Wer neidisch ist, hat das Gefühl, etwas nicht zu besitzen, was ihm eigentlich zusteht. Dahinter steckt der Gedanke, der Besitz mache glücklicher und zufriedener. Dieser Gedanke liegt in unserer Gesellschaft, in der das Ansehen des Menschen nicht zuletzt durch die Anzahl seiner Statussymbole definiert wird, natürlich nahe – er stimmt aber schlicht nicht: Entsprechende Studien haben nämlich gezeigt, dass wir uns an alles Materielle nach spätestens drei Monaten gewöhnt haben. Das Glücksgefühl pendelt sich nach diesem Zeitraum wieder auf normalen Level ein – ganz unabhängig davon, wie sehr wir uns eine bestimmte, materielle Sache gewünscht haben.
Nehmen wir mal an, der Nachbar hat ein neues, luxuriöses und darum teures Auto – und genau das neiden wir ihm. Interessant, was Psychologen über die tatsächlichen Gründe für den Neid herausgefunden haben – es handelt sich dabei schlicht um Selbsthass: Eigentlich verachtet sich der Neider ein Stückchen dafür, dass er es nicht zu so einem tollen Wagen gebracht hat. Also müssen wir innerlich einen Schritt weitergehen und uns fragen: Was wären wir bereit, für diese Luxusgüter zu opfern? Was haben die anderen dafür aufgegeben? Ist es die Sache wert? Mag sein, dass der Nachbar viel mehr Geld verdient als wir. Aber es ist genauso möglich, dass er in seinem Beruf nicht sonderlich glücklich ist, dass er kaum Zeit für andere Dinge hat und sein Privatleben darunter leidet. Hinter die Fassade blicken könnte man diese Strategie auch nennen – die den großen Vorteil hat, dass sich der Neid schnell relativiert.
Selbstwertgefühl
Im Umkehrschluss ist es so: Menschen, die mit sich selbst und ihrem Leben zufrieden sind, sind selten neidisch. Das hat auch etwas mit dem Selbstwertgefühl zu tun, damit also, was wir selbst für wichtig erachten und was von diesen Dingen wir bereits erreicht haben. Auf der anderen Seite zeigen Neidgefühle auch, dass es an der Zeit ist, gewisse Strategien zu ändern. Schließlich ist es ja so, dass wir nur Menschen etwas neiden, die wir gleichzeitig auch bewundern – und von deren Erfolgskonzept wir durchaus profitieren können. Von daher bietet Neid auch die Chance, verborgene Seiten in uns selbst zu entdecken, neue Pläne zu verwirklichen und mit einem gewissen Ehrgeiz in die Tat umzusetzen. Denn schließlich haben wir nicht nur einen Menschen vor Augen, den wir beneiden, sondern gleichzeitig auch einen, den wir ein Stück weit bewundern.
Psychologen wissen zudem: Genau die Eigenschaften, die wir an anderen Menschen beneiden, schlummern auch in uns selbst – nur haben wir sie bisher nicht gesehen (oder nicht wahrhaben wollen). Ein gutes Beispiel dafür ist der erfolgreiche Kollege im Büro, den wir einerseits beneiden, von dem wir aber andererseits gewisse Eigenschaften wie etwa Ellbogen und Durchsetzungsvermögen gern hätten.
Eifersucht
Sie dürfte für die meisten Menschen das nachvollziehbarste aller menschlichen Gefühle sein – immerhin 80 Prozent aller Deutschen geben laut einer aktuellen Umfrage zu, regelmäßig eifersüchtig zu sein. Kuriosweise handelt es sich bei diesem Gefühl, bei dem natürlich auch Verlustängste eine Rolle spielen, um einen ganz ähnlichen Mechanismus wie er auch bei Neid auftaucht: Wir sind vor allem auf das eifersüchtig, was wir an uns selbst nicht wahrhaben möchte – und was dennoch in uns steckt.
Ein Stück weit müssen wir wohl alle mit dem Neandertaler in uns leben, der seine dunkle Seite nur begrenzt unter Kontrolle hat. Aber letztendlich hat der Mensch die Wahl: hassen oder verzeihen, neiden oder gönnen können.