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Wahrheitsgemäß antwortete die Patientin, dass sie keine Allergien habe und die Schmerzen nachgelassen hätten, aber das vielleicht an der Infusion liegen würde. Per Telefon teilte ihr deutschsprachiger Gesprächspartner am anderen Ende des Telefons ihr mit: „Sie können nach Hause gehen“. Die Patientin bestand darauf, dass wenigstens ein Bluttest gemacht würde. Nein, einen Ultraschall könnten sie hier nicht machen. Nach etwa einer halben Stunde kam eine Schwester mit der Nachricht, der Bluttest sei okay und: „You can go home“. Ein Pfleger ließ sie ein Papier unterschreiben, das sie nicht verstand. Die Frage nach einem Schmerzmittel wurde ignoriert. Lediglich ein Rezept mit Antibiotika wurde ihr mit dem Hinweis in die Hand gedrückt, dass es in der Apotheke auch Schmerztabletten gäbe. Die Patientin konnte vor Schmerzen kaum stehen oder laufen. Um ihren Vater anzurufen, schickte man sie nach draußen. So weit kam sie aber gar nicht. Im Eingangsbereich brach sie auf einer Bank zusammen, setzte sich über das Verbot hinweg und rief den Vater an. „Ich weinte und bettelte den Rezeptionisten an: Bitte machen Sie etwas, ich halte das nicht aus“, erzählt Maria weiter. Dieser sprach noch einmal mit der Ärztin, aber diese fand noch immer, sie könne nach Hause gehen. „Eine Krankenschwester lief vorbei, fragte mich, ob ich Schmerzen habe, und ging dann einfach, ihren Apfel essend, weiter. Ich konnte es nicht fassen, niemand wollte mir helfen“. Man drückte ihr noch einen Zettel mit dem Vermerk „HUC“ in die Hand. Sie wusste weder, dass das die Abkürzung für das Universitätskrankenhaus war, noch wo es war und wie man dorthin käme. Man bot ihr weder Taxi noch Rettungswagen an. Sie wurde einfach, unter Tränen und Schmerzen, nach Hause geschickt. Inzwischen war Samstagmorgen. Wieder wandte sich die Familie in ihrer Not an Dr. Lerke. Dieser kam und behandelte mit entzündungshemmenden Infusionen. Als am nächsten Tag keine Besserung eingetreten, sondern stattdessen auch noch Fieber dazugekommen war, wurde er unruhig. Er wandte sich an Thorsten Anker von OSM (Organisación Servicio Médico) und bat ihn um Hilfe, um eine sofortige lebensrettende Lösung zu finden. Dieser setzte sich mit der Clinica La Vida in La Orotava in Verbindung. Dort wird am Sonntag eigentlich nicht operiert. Dennoch konnte innerhalb einer Stunde ein Chirurg organisiert werden, nachdem der Leiter von OSM versichert hatte, er werde sich persönlich um die Kostenübernahme kümmern. In der Klinik wurde dann auch endlich eine intensive Blutuntersuchung mit alarmierendem Ergebnis gemacht. Die junge Frau wurde notoperiert. „Der Chirurg sagte mir am nächsten Tag, dass es allerhöchste Zeit gewesen sei. Der Blinddarm stand kurz vor dem Durchbruch und das wäre dann erst richtig schlimm und lebensbedrohlich geworden.“ Noch immer wird ihr ganz übel bei dem Gedanken, was hätte passieren können. In der Clinica La Vida in La Orotava wurde sie allerdings sehr nett und zuvorkommend behandelt. Schon am Dienstag konnte sie das Krankenhaus verlassen und auch die Kostenübernahme war zu diesem Zeitpunkt bereits mit der deutschen Krankenversicherung geklärt. Es geht Maria jetzt gut, aber der Schreck sitzt tief. Was wäre gewesen, wenn ich einfach umgefallen wäre? Die Patientin hat kein Vertrauen mehr in die Notfallversorgung und hat sich vorsorglich schon einmal die direkte Rufnummer zu ihrer Retterklinik in La Orotava gespeichert. Ins Bellevue möchte sie auf keinen Fall mehr eingeliefert werden.
Nicht der einzige Fall
Nur wenig später meldete sich eine weitere Leserin und Residentin zu Wort. Auch sie hat schlechte Erfahrungen im Hospiten Bellevue gemacht. In diesem Fall fiel die ältere Dame auf der Straße sehr unglücklich aufs Gesicht. Die Lippe blutete stark und die Nase erschien ganz verbogen. Mit ihrer Tochter J.A. fuhr sie per Notruf und Rettungswagen ins Krankenhaus. Auch sie wurde auf eine Liege gelegt und musste warten. In diesem Fall kann es nicht an der Versicherung gelegen haben, denn Frau C.A. ist sogar privat versichert. Die Tochter weigerte sich, sich in einen Wartesaal bugsieren zu lassen und ihre Mutter alleine zu lassen. Sie war Augenzeugin, dass ein Arzt kam, sie kurz ansah und dann der Krankenschwester Bescheid gab, die Wunde zu reinigen, zu desinfizieren und mit Mull zu verbinden. Fertig und wieder der Satz: „You can go home“. Ohne zu überprüfen, ob es am Schädel oder Kiefer Verletzungen gegeben hat? Ist das die ärztliche Sorgfalt? Die Redaktion hat sowohl das Krankenhaus als auch die Kanarenregierung um einen Kommentar gebeten. Hier die Stellungnahme des Krankenhauses: „Wir können zu Patienten aus Datenschutzgründen keine Auskunft geben. Ich kann nur versichern, dass unsere Notaufnahme von den unabhängigen Gutachtern von AENOR und von der kanarischen Gesundheitsversorgung zertifiziert ist. Wenn ein Patient nicht näher untersucht oder stationär aufgenommen wurde, dann liegt das ausschließlich daran, dass es nach ärztlichem Ermessen nicht notwendig war. Es kann sein, dass es zu Wartezeiten kommt, weil ein lebensbedrohlicher Zustand, wie beispielsweise ein Herzinfarkt, natürlich einer nicht so schwerwiegenden Erkrankung vorgezogen wird. Aber alle Patienten, die zu uns in die Notaufnahme kommen, werden ordnungsgemäß, nach national und international festgeschriebenen Standards, behandelt. Im Falle einer Reklamation oder Beschwerde kann diese nur über den betroffenen Patienten erfolgen. Ihm gegenüber können wir den Vorfall nachvollziehen und klären. Gegenüber Dritten, wie der Presse, nehmen wir zu konkreten Fällen keine Stellung“, so die Reaktion der Hospitengruppe über ihren Pressesprecher. Eine Stellungnahme der Kanarenregierung steht noch aus.
Fazit
Es geht hier nicht darum, die medizinische Versorgung auf den Kanaren generell infrage zu stellen, sondern die Schwachstellen aufzudecken, damit sie behoben werden. Geschichten, wie diese, gibt es viele und natürlich können die Universitätskrankenhäuser nicht die gesamte Notaufnahme übernehmen, sondern müssen durch kooperierende Krankenhäuser entlastet werden. Dennoch stellt sich die Frage, ob die unter Vertrag genommenen Krankenhäuser ihre Aufgabe ordnungsgemäß erfüllen oder eventuell eine Überprüfung angebracht wäre. Die Frage nach der Krankenversicherung wird auch an deutschen Krankenhäusern gestellt, aber dennoch darf sie im Fall von lebensbedrohlichen Situationen nicht ausschlaggebend für eine Behandlung sein.